Verdi

Verdi
Vẹrdi
 
[v-], Giuseppe Fortunino Francesco, italienischer Komponist, * Le Roncole (heute zu Busseto, Provinz Parma) 10. 10. 1813, ✝ Mailand 27. 1. 1901. Aus einfachen Verhältnissen stammend, erhielt Verdi durch Unterstützung des Kaufmanns Antonio Barezzi Musikunterricht, zuerst in Busseto, ab 1832 in Mailand bei Vincenzo Lavigna (* 1776, ✝ 1836), einem Schüler von G. Paisiello. 1836 wurde Verdi Maestro di Musica in Busseto und heiratete Margherita Barezzi, die Tochter seines Gönners, die jedoch vier Jahre später starb. Verdis Laufbahn als Opernkomponist begann 1839 in Mailand. Hier wurde 1842 seine Oper »Nabucco« zum ersten durchschlagenden Erfolg. Bis 1850 schrieb er 13 Opern für verschiedene Bühnen. Am politischen Geschehen Italiens (Risorgimento) nahm Verdi lebhaften Anteil. Teile seiner Opern (v. a. Chöre) wirkten als unmittelbare patriotische Kunstäußerungen, und sein Name galt als Kürzel für die Viktor Emanuel II. unterstützende Parole Vittorio Emanuele Re d'Italia.
 
Mit den Opern der mittleren Schaffensperiode ab »Rigoletto« (1851) erreichte Verdi einen ersten Höhepunkt seines Ruhms. Er wählte mit Sorgfalt seine Stoffe aus und beteiligte sich intensiv an der Ausarbeitung der Libretti. Ab 1847 lebte er mit der Sängerin Giuseppina Strepponi zusammen, die er 1859 heiratete. Er schrieb Opern für Paris, Venedig, Rom und Sankt Petersburg, unternahm Reisen, war Abgeordneter im italienischen Parlament und widmete sich der Führung seines Landguts Sant' Agata.
 
Zwei seiner berühmtesten Opern, »Don Carlos« (1867) und »Aida« (1871; ursprünglich geplant zur Eröffnung des Suezkanals 1869), bilden den Beginn der späteren Schaffensperiode. Mit dem Streichquartett e-Moll und dem 1873/74 dem Andenken des Dichters A. Manzoni gewidmeten »Requiem« schien Verdis Werk abgeschlossen. Er zog sich auf sein Landgut zurück, enttäuscht vom Ausbleiben eines durchgreifenden sozialen Fortschritts im geeinten Italien. Dennoch entstanden nach vielen Jahren, die der Umarbeitung älterer Opern gewidmet waren, in Zusammenarbeit mit dem Freund und kongenialen Librettisten A. Boito noch die beiden Alterswerke »Otello« (1887) und »Falstaff« (1893).
 
Mit dem Werk Verdis erreicht die italienische Oper des 19. Jahrhunderts ihre vollendete Ausprägung. Sein Schaffen umfasst 26 Opern, von denen mindestens ein Drittel zum Standardrepertoire aller Bühnen und als spezifisch italienische Kunstäußerung zu den bedeutendsten Werken der Gattung gehört. Der Einfluss seiner älteren Zeitgenossen G. Rossini, V. Bellini, G. Donizetti und Saverio Mercadante (* 1795, ✝ 1870) ist v. a. in den frühen Opern spürbar. Andererseits komponierte er bereits mit »Nabucco« (1842) und »Ernani« (1844) Meisterwerke, die in der Dichte der Erfindung und der Kraft der dramatischen Gestaltung - in den Solorollen ebenso wie in den wirkungsvollen Chören - die zeitgenössischen Vorbilder weit übertreffen. Die Tendenz zur charakteristischen, gefühlsstarken Gesangslinie, zur Ausdrucksvertiefung des Orchesterparts und zur großen, vielfach gegliederten Szene verstärkt sich in den Opern der späten 1840er-Jahre bis zu den drei berühmten Werken der mittleren Schaffenszeit: »Rigoletto« repräsentiert mit scharf umrissenen Personengestaltungen und lebendigen Ensembles den Typus des Charakterdramas, »Il trovatore« (1853) ist vorwiegend eine Gesangsoper, »La Traviata« (1853) steht vermittelnd zwischen beiden und entfaltet zugleich eine neue musikalische Intensität im Ausdruck verhaltener, tragisch resignierender Leidenschaft. Mit »Les vêpres siciliennes« (1855) macht sich der Einfluss der zeitgenössischen französischen Oper bemerkbar. Dies gilt auch für die weiteren Opern bis hin zu »Don Carlos« und »Aida«, die einen neuen Grad reifer Meisterschaft in der freien Szenenbildung, im plastischen, individualisierten Melos, in der reichen, ausdrucksbezogenen Harmonik sowie im subtilen Orchestersatz mit handlungsverknüpfenden Erinnerungsmotiven offenbart.
 
In »Otello« und »Falstaff« erscheint alles Konventionelle abgestreift. Der regelmäßige Wechsel von Rezitativen und geschlossenen Formen weicht einem variablen, jedem dramatischen Moment angepassten Gesangsstil. Dies signalisiert, im Zusammenhang mit Alternationsharmonik, reicher Modulatorik und kammermusikalisch durchgebildeter Instrumentalsprache, eine scheinbar sich dem Musikdrama R. Wagners annähernde Opernkonzeption, was auch von Zeitgenossen kritisch hervorgehoben wurde. Vor allem »Falstaff« ist eine Oper singulärer Qualität und Physiognomie. Die Klarheit und Durchsichtigkeit dieses heiteren Spätwerks, sein pointierter, deklamatorischer Gesangsstil, der sich den wechselnden Ensembles ohne geschlossene Szenen und Arien differenziert anpasst, sein orchestrales Raffinement und sein formaler, rhythmischer und melodischer Reichtum sind ohne Beispiel. Bezeichnend ist, dass sich der 80-jährige Verdi mit diesem Zeugnis seines sublimen und überraschend vitalen Humors wie auch mit »Otello« noch einmal einem Bühnenwerk Shakespeares als Vorlage zuwandte. Die Werke des englischen Dichters haben ihn durch sein ganzes Schaffen hin angeregt und beeinflusst, gerade auch in seiner Suche nach unkonventionellen, lebensnahen Libretti, nach einer differenzierten, ausdrucksvollen, dramatischen Sprachdiktion und Szenenbildung, einem Ideal, das er durch genaue, planvolle Vorgaben und bestimmende Mitarbeit bei der Entstehung der Textbücher zu den meisten seiner Opern zu verwirklichen suchte.
 
Werke: Opern: Oberto, Conte di San Bonifacio (1839); Il finto Stanislao, auch unter dem Titel Un giorno di regno (1840); Nabucco (1842); I Lombardi alla prima crociata (1843); Ernani (1844; nach V. Hugo); I due Foscari (1844); Giovanna d'Arco (1845; nach F. Schillers »Jungfrau von Orleans«); Alzira (1845; nach Voltaire); Attila (1846); Macbeth (1847; nach Shakespeare; französische Fassung 1865); I masnadieri (1847; nach Schillers »Die Räuber«); Il corsaro (1848; nach Lord Byron); La battaglia di Legnano (1849); Luisa Miller (1849; nach Schillers »Kabale und Liebe«); Stiffelio (1850, Neufassung 1857 als Aroldo); Rigoletto (1851; nach Hugo); Il trovatore (1853; deutsch Der Troubadour; nach einem Drama von A. García-Gutiérrez); La Traviata (1853; nach dem Drama »La dame aux camélias« von A. Dumas fils); Les vêpres siciliennes (1855; deutsch Die sizilianische Vesper); Simon Boccanegra (1857, Neufassung 1881); Un ballo in maschera (1859; deutsch Ein Maskenball); La forza del destino (1862, Neufassung 1869; deutsch Die Macht des Schicksals); Don Carlos (1867, Neufassung 1884; nach Schiller); Aida (1871); Otello (1887; deutsch Othello; nach Shakespeare); Falstaff (1893; nach Shakespeare).
 
Kammermusik: Streichquartett in e-Moll (1873).
 
Vokalwerke: Messa da Requiem (1874); Pater noster (1880; italienische Umdichtung von Dante Alighieri); Quattro pezzi sacri (mit den Teilen Ave Maria, für vierstimmigen Chor, 1889; Stabat mater, für Chor und Orchester, 1897; Te Deum, für Doppelchor und Orchester, 1895; Laudi alla Vergine Maria, für vierstimmigen Frauenchor, nach Dante Alighieri, 1886; Uraufführung 1898); mehrere Hymnen und Kantaten sowie einige kirchliche Werke; Lieder.
 
Ausgaben: I copialettere, herausgegeben von G. Cesari u. a. (1913, Nachdruck 1979); Briefe, herausgegeben von F. Werfel u. a. (1926); Briefe, herausgegeben von H. Busch (1979); The works, herausgegeben von P. Gossett u. a., auf zahlreiche Bände berechnet (1983 ff.).
 
 
C. Hopkinson: A bibliography of the works of G. V., 2 Bde. (New York 1973-78);
 
G. V., hg. v. H.-K. Metzger u. a. (1979);
 
V., aus der Nähe. Ein Lebensbild in Dokumenten, hg. v. F. Wallner-Basté (Zürich 1979);
 J. Budden: The operas of V., 3 Bde. (Neuausg. London 1984);
 C. Casini: V. (a. d. Ital., 1985);
 M. Engelhardt: Die Chöre in den frühen Opern G. V.s (1988);
 B. Pauls: G. V. u. das Risorgimento. Ein polit. Mythos im Prozeß der Nationenbildung (1996);
 J. Budden: V. Leben u. Werk (a. d. Engl., 22000);
 R. Fath: Reclams Kleiner V.-Opernführer (2000);
 J. Jansen: G. V. (2000);
 Barbara Meier: G. V. (2000);
 C. Springer: V. u. die Interpreten seiner Zeit (Wien 2000);
 
V.-Handbuch, hg. v.A. Gerhard u. U. Schweikert (2001).
 

Universal-Lexikon. 2012.

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